FRANKFURT. Europa steht vor einer der größten Industrie-Investitionen seiner Geschichte. Bis Ende des Jahres will der amerikanische Halbleiterhersteller Intel bekanntgeben, wo auf dem europäischen Festland er bis 2030 acht große Chip-Fabriken bauen wird.
Wie der Vorstandsvorsitzende Pat Gelsinger der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z./Donnerstagsausgabe) sagte, gibt es derzeit etwa 10 Standort-Kandidaten, darunter mehrere in Deutschland. „Wir investieren 80 Milliarden Euro in Europa“, sagte Gelsinger. Davon sollten allerdings rund 30 Prozent durch öffentliche Beihilfen gedeckt werden. Diese seien notwendig, um im Wettbewerb vor allem mit den asiatischen Konkurrenten bestehen zu können.
„Die Asiaten machen die Spielregeln – und da muss man entscheiden: Akzeptiert man die – ja oder nein. Wenn wir unsere Mega-Fab in Europa bauen, wenn wir mit ihr die neuesten Chiptechnologien herbringen, muss sich das für uns auch rechnen. Denn wir müssen damit auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig sein – und zwar nicht nur technologisch, sondern auch kostenseitig. Andernfalls können wir es hier nicht machen“, sagte Gelsinger der F.A.Z zur Notwendigkeit der Subventionen.
Gelsinger traf sich deshalb bereits mit Vertretern der EU-Kommission wie dem Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Auch kam er in den vergangenen drei Tagen zweimal mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen. Die Bundesregierung gilt seit Jahren als einer der größten Förderer der Halbleiterindustrie in Europa, da Steuer- und Speicherchips für deutsche Schlüsselindustrien wie den Auto- und Maschinenbau unerlässlich sind. So haben die Europäer wie auch die Amerikaner gerade milliardenschwere Programme zur Förderung der heimischen Chipindustrie und zur Anwerbung ausländischer Hersteller wie etwa Intel aufgelegt. Asiatische Länder wie Taiwan, Südkorea und vor allem China fördern ihre Chiphersteller seit Jahren über staatliche Zuschüsse von bis zu einem Drittel der anvisierten Investitionssummen. Amerika greift seiner Branche über die kommenden Jahre mit rund 50 Milliarden Dollar unter die Arme. Europa hat ein ähnliches Programm im Visier.
EU-Kommissar Thierry Breton gab im Sommer das Ziel aus, dass Europa in der Branche bis 2030 wieder einen Anteil von 20 Prozent in einem rasant wachsenden Markt haben soll. Heute liegt der Anteil bei weniger als 9 Prozent. 2030 soll die Chip-Branche in Europa 200 Milliarden Euro erlösen, heute sind es knapp 40 Milliarden Euro. Hersteller in Asien erlösen rund 250 Milliarden Euro im Jahr. Während in Asien und Amerika bereits neue Chipfabriken gebaut werden, sind in Europa gerademal die ersten bürokratischen Hürden übersprungen und die Ausschreibungen raus.
Gelsinger will diese Verfahren mit Intel ganz ähnlich wie Elon Musk mit der neuen Tesla-Fabrik in Brandenburg durch ein eher unkonventionelles Vorgehen beschleunigen. „Nun, wir sind Elon dankbar, dass er so nach vorn gestürmt ist, an der Uhr gedreht und gezeigt hat, was auch hierzulande alles noch möglich ist.“ Ende des Jahres soll der künftige Standort der sogenannten Mega-Fab von Intel mit ihren acht Einzelfabriken und alles 12.000 Mitarbeitern bekannt gegeben werden. Kommendes Jahr dann sollen die ersten Spatenstiche auf dem 5 Millionen Quadratmeter großen Gelände gemacht, Mitte des Jahrzehnts der Betrieb in den ersten beiden Fabriken hochgefahren sein.
Es gelte angesichts des harten Wettbewerbs, des sich nicht abzeichnenden Ende des Chipmangels in faktisch allen wichtigen Industrien der Welt und der schnellen Konkurrenz in Asien keine Zeit zu verlieren, sagt Gelsinger. „Die Pandemie ist schlimm. Aber aus den Folgen für die Wirtschaft können wir lernen. Wir dürfen diese Krise nicht ungenutzt lassen; wir dürfen sie nicht verschwenden. Wir müssen sie nutzen“, sagte er