Wenige Tage vor Beginn des Grünen-Parteitags hat die Vorsitzende Annalena Baerbock eine neue Definition von Wohlstand für die gesamte Europäische Union verlangt. „Am besten wäre es, das Bruttoinlandsprodukt auf europäischer Ebene durch einen Wohlstandsindex zu ergänzen“, sagte Baerbock der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (F.A.S.). „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür: Die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will die Nachhaltigkeit ins Zentrum rücken, und nächstes Jahr hat Deutschland die Ratspräsidentschaft.“ Mögliche Kriterien seien die Einkommensverteilung oder der Umwelt- und Ressourcenverbrauch.
Die Abkehr vom Bruttosozialprodukt als alleinigem Indikator des Wohlstands ist einer der zentralen Punkte eines Papiers zur Wirtschaftspolitik, das die Grünen am kommenden Wochenende bei ihrem Delegiertentreffen in Bielefeld beschließen wollen. „Wachstum allein am Bruttoinlandsprodukt zu messen, ist nicht mehr zeitgemäß“, sagte Baerbock dazu der F.A.S. „Wenn es zum Beispiel mehr Autounfälle gibt, dann werden mehr Autos repariert, die Aufträge steigen. Das ist also gut fürs BIP, aber nicht gut für den Einzelnen.“
Das bedeute jedoch nicht, dass Wirtschaftskraft in Zukunft keine Rolle mehr spielen solle, betonte Baerbock. „Wir wollen unseren Wohlstand und den künftiger Generationen erhalten, indem wir jetzt umsteuern.“ Dazu sei es nötig, das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Viele Unternehmen seien dabei schon weiter als die Politik, weil sie in ihrem Geschäftsbericht zum Beispiel die Klimabilanz auswiesen.