DIW: Geopolitische Risiken belasten deutsche Wirtschaft

Geopolitische Risiken zuletzt stark gestiegen – Deutsche Volkswirtschaft ist aufgrund ihrer starken Verflechtung mit dem Ausland von geopolitischen Schocks betroffen – Effekte sind allerdings überschaubar – Bessere ökonomische und politische Vernetzung Deutschlands europa- und weltweit könnte Auswirkungen externer Schocks abfedern

Nach der Tötung des iranischen Generals Qasem Soleimani erreichte der etablierte Index zur Messung geopolitischer Risiken ein vorläufiges Rekordhoch. Derartige Schocks dämpfen auch die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland. Ereignisse wie unerwartete kriegerische Auseinandersetzungen, Terroranschläge und diplomatische Konflikte haben kurzfristig einen signifikant negativen Effekt auf die deutsche Wirtschaft. Dies betrifft insbesondere die Industrieproduktion und somit die realwirtschaftliche Leistungsfähigkeit, wie eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt.

„Auch wenn die Größe der Effekte geopolitischer Krisen auf die deutsche Wirtschaft überschaubar und die Auswirkungen zeitlich begrenzt sind, machen sie sich in Form einer sinkenden Industrienachfrage und schwindendem Konsumentenvertrauen für hiesige Unternehmen bemerkbar“, erklärt Studienautor Max Hanisch. „Dennoch sollte die Politik dies nicht zum Anlass nehmen, die deutsche Volkswirtschaft abzuschotten. Im Gegenteil kann eine tiefergehende politische und ökonomische Integration, auf europäischer Ebene beispielsweise durch den Ausbau der Bankenunion, die Auswirkungen dieser Schocks abfedern“, so Hanisch.

Das in der Studie verwendete Modell misst, wie sich ein geopolitischer Schock auf Industrieproduktion, Konsumentenvertrauen und Aktienindizes in Deutschland und den USA auswirkt. Die Größe dieses hypothetischen Schocks entspricht dem durchschnittlichen Anstieg des Geopolitical Risk Index infolge der neun einflussreichsten Ereignisse im Beobachtungszeitraum 1999 bis 2019, unter anderem den Anschlägen vom 11. September 2001, dem Irakkrieg 2003 und der Krim-Annexion 2014. Insgesamt lässt sich für die USA wie für Deutschland für alle drei Variablen ein statistisch signifikanter, negativer Effekt feststellen. Im Vergleich zu den USA reagieren in Deutschland die Industrieproduktion und das Konsumentenvertrauen stärker auf einen sprunghaften Anstieg geopolitischer Risiken. Der Aktienmarkt hingegen zeigt sich in den USA empfindlicher als hierzulande. Insgesamt sind die Effekte jedoch in ihrer Größe überschaubar und nicht langfristiger Natur.

Unsicherheit sorgt für sinkende Exportnachfrage
Geopolitische Schocks können sich in unterschiedlicher Art und Weise auf die Volkswirtschaften anderer Länder auswirken. Direkt betroffen sind in der Regel zyklische Industrien, beispielsweise Stahl- und Chemiekonzerne. Unternehmen aus anderen Wirtschaftszweigen sind oftmals indirekt betroffen. Angesichts der steigenden Unsicherheit konsumieren und investieren Haushalte und Firmen zurückhaltender, worunter vor allem die Exportnachfrage leidet. Ein ähnliches Verhalten ist auch auf den Finanzmärkten zu erwarten: Internationale Geldgeber ziehen sich zurück, was die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen verschlechtert.

„Je mehr verlässliche Finanzierungsquellen zur Verfügung stehen, desto weniger leiden Unternehmen unter einer Verschlechterung der globalen Finanzierungskonditionen“ Max Hanisch

„Die Ergebnisse der Modellrechnung deuten darauf hin, dass für Deutschland besonders realwirtschaftliche Faktoren relevant sind“, resümiert Hanisch, „eine geringere Nachfrage nach deutschen Konsumgütern und Zwischenprodukten hemmt die konjunkturelle Entwicklung“. Um die Auswirkungen externer Schocks einzudämmen und die makroökonomische Verwundbarkeit zu verringern, spricht sich der Autor für eine tiefergehende ökonomische und politische Integration Deutschlands aus. Freihandelszonen zu erweitern und Handelshemmnisse abzubauen könne hierbei helfen. Auf europäischer Ebene wäre die Vervollständigung der Bankenunion ein sinnvoller Schritt. „Je mehr verlässliche Finanzierungsquellen zur Verfügung stehen, desto weniger leiden Unternehmen unter einer Verschlechterung der globalen Finanzierungskonditionen“, so Hanisch.

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