DIW Managerinnen-Barometer 2020: Langsamer Wandel

Anteil der Vorständinnen im vergangenen Jahr etwas stärker gestiegen als zuvor – Anzeichen dafür, dass Geschlechterquote für Aufsichtsräte auch Frauenanteil in Vorständen erhöht – Geschlechterparität bleibt aber in weiter Ferne – Neue Formen der Arbeitsorganisation und Abbau von Geschlechterstereotypen nötig

Die Frauenanteile in den Vorständen großer Unternehmen in Deutschland sind im vergangenen Jahr etwas stärker gestiegen als in den Jahren zuvor. Das geht aus dem neuesten Managerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervor. Demnach knackten die 200 umsatzstärksten Unternehmen erstmals die Zehn-Prozent-Marke: 94 von 907 Vorstandsposten hatten Frauen inne, das entspricht einem Anteil von 10,4 Prozent. Im Jahr zuvor waren es neun Prozent, damals lag der Anstieg bei weniger als einem Prozentpunkt. Auch bei den größten börsennotierten und bei den Unternehmen mit Bundesbeteiligung war die Entwicklung im Vorstand etwas dynamischer als in vorangegangenen Jahren. Bei Banken und Versicherungen war das ebenfalls der Fall. In den Aufsichtsräten ging es hingegen, anders als in den meisten Jahren zuvor, im Vergleich zu den Vorständen langsamer nach oben.

In der größten Auswertung dieser Art haben Katharina Wrohlich vom DIW Berlin und Anja Kirsch von der Freien Universität Berlin erneut über 500 Unternehmen unter die Lupe genommen und ausgewertet, inwieweit Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten vertreten sind. Die Zahlen wurden im Herbst 2019 erhoben, unter anderem auf Basis von Angaben der Unternehmen im Internet, des Bundesanzeigers, von Geschäftsberichten und Anfragen der Autorinnen bei den Unternehmen.

„Trotz der zuletzt positiven Entwicklung in den Vorständen kann noch keine Rede davon sein, dass in sämtlichen Chefetagen das Umdenken begonnen hätte“, sagt Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am DIW Berlin. „Bei genauerem Hinsehen vollzieht sich die Entwicklung in den Chefetagen nach wie vor auf einem extrem niedrigen Niveau, vor allem, wenn man mehrjährige Zeiträume betrachtet. Geschlechterparität in den Vorständen der größten Unternehmen in Deutschland ist nach wie vor in weiter Ferne“, so Wrohlich.

Unternehmen mit Geschlechterquote im Aufsichtsrat haben nun mehr Vorständinnen
Dennoch könnte sich 2019 im Nachhinein als das Jahr herausstellen, in dem eine nachhaltig höhere Dynamik auf dem Weg zu mehr Frauen in Führungspositionen einsetzte. Mit dem Softwarekonzern SAP hat erstmals ein DAX-30-Unternehmen eine Frau (Jennifer Morgan) an seine Vorstandsspitze berufen. Außerhalb der Unternehmenswelt gab es mit Ursula von der Leyen als neuer EU-Kommissionspräsidentin und Christine Lagarde als neuer Präsidenten der Europäischen Zentralbank weitere prominente Beispiele, in denen es Frauen nach ganz oben schafften. Das DIW Managerinnen-Barometer bestätigt, dass abseits solcher Schlaglichter die Frauenanteile in den Spitzengremien der Wirtschaft auch in der Breite zugenommen haben.

So verdichten sich die Anzeichen dafür, dass die gesetzliche Geschlechterquote für Aufsichtsräte, an die gut 100 Unternehmen in Deutschland seit dem Jahr 2016 gebunden sind, mehr und mehr auf die Vorstände ausstrahlt: Unter den Top-200-Unternehmen ist der Frauenanteil im Vorstand jener Unternehmen, die der Quotenregelung für Aufsichtsräte unterliegen, im vergangenen Jahr deutlich gestiegen (von 8,0 auf 12,3 Prozent) und liegt nun höher als bei jenen Unternehmen innerhalb der Top-200-Gruppe, die nicht an die Quote gebunden sind. Dort stagnierte der Anteil der Vorständinnen im vergangenen Jahr bei gut neun Prozent.

„Trotz der zuletzt positiven Entwicklung in den Vorständen kann noch keine Rede davon sein, dass in sämtlichen Chefetagen das Umdenken begonnen hätte.“ Katharina Wrohlich
Weitergehende Berechnungen im Rahmen des Managerinnen-Barometers belegen, dass der Frauenanteil im Aufsichtsrat eines Unternehmens positiv mit dem Frauenanteil in dessen Vorstand einige Jahre später zusammenhängt. Ob die Geschlechterquote für Aufsichtsräte tatsächlich die Ursache für den Anstieg des Frauenanteils im Vorstand ist, lässt sich auf Basis des aktuellen Forschungsstandes noch nicht sicher sagen. Vermutlich haben auch öffentliche Diskussionen und Medienberichterstattungen den Druck erhöht: beispielsweise rund um das Thema „Zielgröße Null“, die sich viele Unternehmen bezüglich des Frauenanteils im Vorstand gesetzt haben.

Aufsichtsrätinnen und Aufsichtsräte könnten mehr Einfluss auf Personalentscheidungen nehmen
Die Antworten aus Interviews mit insgesamt 60 Aufsichtsrätinnen und Aufsichtsräten, die im Rahmen eines Forschungsprojekts der Freien Universität Berlin geführt wurden, zeigen, dass Aufsichtsratsmitglieder in vielerlei Hinsicht die Besetzung von Vorstandsposten beeinflussen können. Sie sind beispielsweise direkt an Personalentscheidungen beteiligt oder legen Zielgrößen für den Frauenanteil in Vorständen fest. „Vielerorts schöpfen Aufsichtsrätinnen und Aufsichtsräte ihre Möglichkeiten aber (noch) nicht vollends aus. Weiterer politischer und gesellschaftlicher Druck könnte ihnen den Rücken stärken und sie zu weitergehenden Maßnahmen ermuntern“, sagt Anja Kirsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Professur für Personalpolitik an der Freien Universität Berlin.

Darüber hinaus sind nach Ansicht der Autorinnen auch neue Formen der Arbeitsorganisation nötig, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Vor allem die Erwartungen gegenüber Personen in hohen Führungspositionen gehörten auf den Prüfstand. „Ist es wirklich notwendig, dass diese Stellen mit einer so enormen Arbeits- und zeitlichen Belastung einhergehen? Oder ließe sich das auch anders organisieren? Wenn sich hier etwas verändert, dann würde vermutlich der Frauenanteil in diesen Positionen nachhaltig steigen“, so Wrohlich. „In eigenem Interesse, etwa um einer gesetzlichen Quote für Vorstände zuvorzukommen und um den künftigen Bedarf an Fachkräften zu sichern, sollten die Unternehmen hier ansetzen.“

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