Mercedes-Kunden müssen auf ein neues Auto teilweise schon mehr als ein Jahr warten. Schuld daran ist die Halbleiter-Krise, die immer wieder für Produktionsunterbrechungen sorgt.
„Ja, die Nachfrage ist bei Mercedes-Benz enorm und gleichzeitig gibt es derzeit leider starke Einschränkungen“, bestätigte Daimler-Vorstandschef Ola Källenius im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z./Samstagsausgabe) und räumte ein: „Für manche Modelle sind die Wartezeiten daher länger, als wir uns das wünschen, in einigen Fällen auch über ein Jahr.“ Das hänge damit zusammen, dass man in der Produktion Prioritäten setzen müsse, und sowohl die Profitabilität im Auge haben müsse wie auch die Elektro-Offensive.
„Wir werden alles dafür tun, die Wartezeiten zu verkürzen, wenn sich die Lage wieder stabilisiert“, stellte Källenius in Aussicht. Er hofft, dass der Tiefpunkt im dritten Quartal durchschritten sei. Das sei allerdings schwer vorhersehbar. So habe man zuletzt kurzfristig große Probleme bekommen, weil einige Chipfabriken in Malaysia wegen Corona stillstanden. „Die strukturelle Thematik, dass es grundsätzlich zu wenig Halbleiter gibt, wird laut Aussagen der großen Chiphersteller auch 2022 andauern, im Jahr 2023 könnte sich die Lage entspannen“, sagte Källenius der F.A.Z.
Für eine industriepolitische Lösung zum Aufbau zusätzlicher Chipfabriken steht Mercedes aber nicht zur Verfügung, betonte Källenius unter Verweis auf die Milliardeninvestitionen, die dafür nötig wären. Unterdessen investiert der Stuttgarter Autohersteller aber in die Produktion von Batteriezellen, was bis vor wenigen Jahren bei Daimler noch als unnötig erachtet wurde. „Die Versorgung mit hochwertigen Batteriezellen zu wettbewerbsfähigen Kosten ist ein entscheidender Schlüssel für unseren ehrgeizigen Elektro-Hochlauf“, erklärte Ola Källenius im Gespräch mit der FAZ: „Für unsere Ziel benötigen wir bis zum Ende des Jahrzehnts Kapazitäten von mehr als 200 Gigawattsunden. Und unsere Haltung ist klar: Wir warten nicht auf die Transformation. Wir treiben sie. Darum geht’s.“ Dazu beteiligt sich Mercedes-Benz an ACC, einem schon existierenden Gemeinschaftsunternehmen des Mineralölkonzerns TotalEnergies und Stellantis, das nach Einschätzung von Källenius zum europäischen Batterie-Champion werden soll.
Zur bevorstehenden Aufspaltung der Daimler AG in die Mercedes-Benz AG und die Daimler Truck AG sagte Källenius, er verspüre eine Aufbruchstimmung unter den Beschäftigten: „Die meisten Mitarbeiter verstehen auf Anhieb die Logik, warum wir das machen.“ Agilität und Geschwindigkeit seien sehr wichtig in Zeiten der Transformation. Außerdem biete die Aufspaltung einen gewissen Schutz: „Wenn stille Werte in einer Aktie nicht realisiert werden, ist das Unternehmen eher eine Zielscheibe für aggressive Aktionäre, als wenn man das kristallisiert und zwei starke Akteure hat.“ Wenn die Daimler-Aktionäre auf der außerordentlichen Hauptversammlung am nächsten Freitag (1. Oktober) der Aufspaltung zustimmen, werde man den Plan „schleunigst umsetzen.“